Ungewollt kinderlos und trotzdem glücklich
Ist es notwendig, dass wir uns bereits am Beginn des Kinderwunsch-Weges Gedanken über den Abschied vom Kinderwunsch machen? Müssen wir vorher festlegen, wie lang dieser Weg sein darf? Nein. Das müssen wir nicht, aber hilfreich ist es allemal.
Ich bekomme immer eine Gänsehaut, wenn ich Paare dabei beobachte, wie sie alles Mögliche und fast Unmögliche versuchen, um ihren Traum vom eigenen Kind zu erfüllen. Mir selbst war damals auf diffuse Weise immer klar, dass es für uns irgendwann vorbei sein muss. Im schlimmsten Fall halt auch ohne Kind. Ich wollte einfach keine Never-Ending-Story daraus machen.
Meine Erfahrungen und Beobachtungen haben mir gezeigt, dass es ganz bestimmt hilfreich ist, schon zu Beginn des Kinderwunsch-Weges einen Rahmen abzustecken. Dieser Rahmen muss ja nicht in Stein gemeißelt sein. Er darf und muss immer mal wieder gemeinsam überprüft und angepasst werden. Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem Du Dich von Deinem großen Wunsch verabschieden musst.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Abschied gekommen?
Obwohl ich mir vorgenommen hatte, keine Never-Ending-Story aus meinem Kinderwunsch zu machen, traf mich das Ende dann doch ziemlich plötzlich und mit voller Wucht. Mein Mann sprach damals das aus, was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu denken wagte. Das habe ich ihm eine ganze Weile ziemlich übel genommen.
Mögliche Wegmarkierungen für den Abschied vom Kinderwunsch:
Ich war also, trotz aller guten Vorsätze am Beginn unseres Kinderwunsch-Weges, ziemlich unvorbereitet und hatte überhaupt keinen Plan. Mir war auch gar nicht klar, dass es sich tatsächlich um einen Abschied handelt. Einen Abschied, den ich besser bewusst gestaltet hätte und mit Unterstützung von außen.
1. Die vorher von Euch festgelegte Zeit ist abgelaufen („Wir versuchen es zwei, fünf oder zehn Jahre“)
2. Das Alter: „Mit 40, 45 oder 50 Jahren richten wir unser Leben neu aus.“
3. Ein Gefühl: Du spürst plötzlich, dass der Gedanke an eine Schwangerschaft Dich eher erschreckt oder stresst.
Besonders für den letzten Punkt, ist es wichtig, dass Du Dich selber immer im Blick behältst und gut auf Dich, Dein Gefühl und Deine innere Stimme achtest. Dafür solltest Du natürlich immer gut mit Dir selbst in Verbindung und mit Deinem Partner im Gespräch bleiben.
Die Zeit für den Abschied ist gekommen und mit ihr das „schwarze Loch“
Für Euch beginnt nun ein Trauerprozess und diesen Prozess solltet Ihr gemeinsam ganz bewusst erleben und gestalten.Doch was bedeutet das? Und wie soll das funktionieren?
Die Trauer verläuft in mehreren Phasen, die verschiedene Psychologen in unterschiedlichen Modellen veranschaulichen. Wir durchlaufen nicht alle Phasen gleich und auch nicht strukturiert eine Phase nach der anderen.
Das Trauerphasen-Modell von Verena Kast beschreibt die folgenden vier Phasen der Trauer.
Diese Modelle finden zwar in erster Linie Anwendung bei der Bewältigung eines Todesfalles, aber für mich sind sie definitiv übertragbar auf den Abschied vom Kinderwunsch.
Schließlich verabschieden wir neben unserem größten Herzenswunsch auch einen Menschen. Einen Menschen, den wir uns so sehr in unser Leben gewünscht haben.
In der ersten Phase wollen wir nicht wahrhaben, dass unser größter Wunsch unerfüllt bleiben könnte. Wir leugnen diese Möglichkeit und schieben die Entscheidung über ein Ende unserer Bemühungen immer wieder hinaus.
In der zweiten Phase bestimmen Gefühlsausbrüche das Geschehen. Wir werden von Wut, Schmerz, Zorn und Schuldgefühle regelrecht überrannt. Es ist sehr gut, wenn Du diese Emotionen spüren kannst. Nimm‘ sie wahr und gib ihnen Raum. Auch wenn es sich schwer anfühlt und belastend ist, sind sie heilsam auf Deinem Weg.
In der dritten Phase setzen wir uns ganz bewusst mit dem auseinander, was wir verloren haben. Wir setzen uns also gezielt und ganz bewusst mit unserem großen Kinderwunsch auseinander.
- Warum will ich unbedingt ein Kind?
- Was fehlt mir künftig, wenn ich ohne Kind leben muss?
- Wie kann ich das auf andere Weise in mein Leben holen?
Diese Fragen können uns helfen, weil sie uns langsam Alternativen zeigen.
Es geht jetzt nicht darum, diesen Verlust aus unserem Leben zu verbannen und zu vergessen. Das funktioniert nicht. Es geht darum, diesem Verlust einen neuen Platz in unserem Leben einzuräumen. Dieser Verlust und dieser Schmerz wird immer ein Teil von uns sein und das ist auch okay so.
In der vierten Phase geht es darum, für Dich einen neuen Selbst- und Weltbezug zu definieren. Das hört sich groß an, ist es auch. Hier geht es nämlich um nicht weniger als darum, Dein neues Leben zu einem neuen glücklichen Leben zu machen.
Vielleicht fragst Du Dich nun etwas verwundert, wie das möglich sein soll. In meinem Artikel „Das Wichtigste auf Deinem Kinderwunsch-Weg“findest Du ein paar Anregungen oder wir planen gemeinsam Deinen individuellen Weg in Dein glückliches Leben.
Ungewollt kinderlos und trotzdem glücklich – geht das?
Ja das geht. Ich kann das heute aus tiefster Überzeugung und mit ganzem Herzen von mir behaupten. Doch es war ein weiter und schwieriger Weg bis hierher. Ein Weg, auf dem ich viele Tränen vergossen habe.
Ich war 35 Jahre alt, als die Entscheidung fiel, dass wir unseren Kinderwunsch-Weg nicht weiter verfolgen werden. Das war für mich persönlich die schwierigste Zeit und für unsere Beziehung eine riesige Belastungsprobe. Die Tatsache, dass grundsätzlich noch immer Liebe das vorherrschende Gefühl zwischen uns war, hielt uns letztendlich zusammen. Und der lange gemeinsame Weg mit allem, was wir bereits geschafft hatten.
Ich spürte immer mehr, dass ich mich auch wieder mit anderen Dingen beschäftigen möchte als mit meinem Kinderwunsch. Ich wollte wieder Spaß haben am Leben und gemeinsam wollten mein Mann und ich wieder schöne Dinge erleben.
Den Auftakt hierzu spielte der 40. Geburtstag meines Mannes, den wir groß feierten. Ein Jahr später markierte unsere Rundreise durch Schottland den nächsten Meilenstein. Das war wirklich unser Neubeginn. Dennoch dauerte es weitere drei Jahre, bis ich endgültig mit meinem Kinderwunsch abschließen konnte.
Ein paar Tage vor meinem 40. Geburtstag habe ich meinem großen Herzenswunsch und meinem ungeborenen Kind einen Brief geschrieben. In diesem Brief habe ich alle Ängste, Sorgen, Hoffnungen und Wünsche, die ich mit diesem Kind verbunden habe, notiert. Es hat so gut getan, das alles einmal aufzuschreiben. Meine Gedanken aus dem Kopf heraus auf das Papier zu bringen, war unglaublich befreiend.
Mit der Zeit spürte ich immer mehr, dass die Vorstellung jetzt doch noch schwanger zu werden, plötzlich sehr erschreckend für mich war. Ich wusste auf einmal, dass ich das jetzt nicht mehr will. Den Abschied von meinem Kinderwunsch hatte ich vollzogen.
Gleichzeitig bemerkte ich, dass mein Beruf mich nicht mehr ausfüllte. Ich hatte meine berufliche Entwicklung verpasst, weil ich mich so sehr auf meinen Kinderwunsch fokussiert hatte. Es folgten nun Jahre des Wandels und 2017 war ich bereit für den Aufbruch in ein neues Leben. Ich coachte mich selbst, ohne damals zu wissen, was ich da tat. Ich wollte einfach meinen Zielen und meiner Vision für mein „Leben 2.0“ auf die Spur kommen. Das Beste daran war, dass ich dieses Mal klug genug war, diesen Prozess nicht alleine durchzumachen. Ich holte als allererstes meinen Mann ins Boot und schließlich auch enge Freunde und Bekannte. Gemeinsam mit Ihnen habe ich tatsächlich meinen neuen Lebenssinn gefunden. Es entstand meine Vision, die noch heute gültig ist (eine Frühstückspension inklusive Coaching-Praxis an der Nordsee) und ganz konkret das Ziel, Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch auf ihrem Weg zu begleiten. Mit dieser Entscheidung schließt sich für mich ein Kreis. Denn jetzt haben meine Erlebnisse, Enttäuschungen und meine Trauer einen Sinn. Alles, was ich erlebt habe, ist für etwas gut. Ich kann meine Erfahrungen weitergeben und so den Weg für andere Kinderwunsch-Menschen ein wenig leichter machen. Das erfüllt mich mit großer Dankbarkeit und macht mich wirklich zufrieden.
Aufbruch in ein glückliches Leben ohne Kind – aber wie?
Es gibt viele Abschiedsrituale und es ist wichtig, dass Du das Ritual findest, was zu Dir passt und womit Du Dich wohlfühlst. Eines der „mächtigsten“ Rituale habe ich Dir gerade schon genannt.
- Schreibe Deinem Kinderwunsch einen Brief. Schreibe alles auf, was Du mit diesem Herzenswunsch verbindest. Folgende Fragen können Dir dabei helfen:
* Was geht mir immer wieder durch den Kopf? Was schmerzt mich? Was tut mir leid? Was möchte ich verzeihen? Mir selbst, meinem Körper, meinem Partner…? Wofür bin ich dankbar? Was habe ich gelernt und möchte ich für mein weiteres Leben annehmen? Was braucht noch Zeit?
- Überlege Dir, was Du mit diesem Brief machen möchtest
* Möchtest Du ihn in ein Kästchen legen, mit weiteren Dingen, die für Deine Kinderwunschzeit stehen? Möchtest Du ihn verbrennen, an einem bestimmten Ort vergraben oder ohne Absender an eine Fantasie-Adresse verschicken?
- Nun beschäftige Dich ganz bewusst mit Dir selbst.
* Was sind Deine Wünsche und Ziele, entwickele eine neue Vision für Dein Leben 2.0. Fühl‘ Dich frei und suche gezielt nach den verstecktesten Ideen. Erinnere Dich an Deine Kindheitsträume. Vielleicht hilft Dir diese kleine Meditation dabei.
- Suche Dir spätestens jetzt für Deinen Abschied und Deinen Neubeginn Unterstützung, denn das ist alles nicht so einfach, wie es vielleicht klingt.
- Teile diesen Weg mit Deinem Partner. Das wird ein magischer Wendepunkt in Eurer Beziehung.
Wie ist das bei Dir? Kannst Du Dir jetzt vorstellen, auch ohne ein Kind jemals ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen?
Möchtest Du noch mehr Ideen oder Planungshilfe für Deinen Weg zu einem erfüllten Leben ohne Kind? Dann lass‘ uns das gemeinsam anpacken.
Herzlichst Deine Bianca vom Kinderwunschpfad