Interview mit einer ehemaligen Kinderwunsch-Patientin
Bisher habe ich Dir von meinen eigenen Erfahrungen auf dem Kinderwunschpfad berichtet. Heute freue ich mich sehr, dass ich Dir Nane vorstellen darf. Nane ist heute glückliche Mutter eines süßen Sohnes, doch der Weg dahin war sehr schwer. Heute berichtet sie uns von ihren persönlichen Erfahrungen, Höhen und Tiefen aus der Kinderwunschzeit.
kinderwunschpfad: Liebe Nane, wo stehst Du heute auf dem Kinderwunschpfad?
Nane: Ich bin zu 90% angekommen. Die restlichen 10% sind das zweite Kind, das es ja quasi schon gibt. Aber bis wir das angehen, wird es bestimmen noch vier bis fünf Jahre dauern. Bei unserem Sohn hat es damals bereits bei der ersten ICSI-Behandlung funktioniert. Jetzt haben wir nur noch einen Versuch auf Lager sozusagen, da habe ich Angst vor einer Niederlage. Ich weiss nicht, ob ich das ganze Prozedere noch einmal durchmachen möchte, wenn es nicht gleich klappt. Ausserdem ist bei mir so viel schief gelaufen, dass die Angst jetzt natürlich dabei ist. Vielleicht warte ich deshalb so extrem lange.
Kommen da auch die Gefühle aus der Kinderwunschzeit wieder hoch?
Ja natürlich. Heute weiss ich wie so ein „kleiner Wurm“ aussieht, der aus mir raus kommt. Da ist der Gedanke vielleicht noch einmal eine Fehlgeburt zu erleben, schwer auszuhalten. Wenn ich mir vorstelle, dass mir heute jemand meinen Sohn wegnimmt – das geht gar nicht.
Wie hast Du damals bemerkt, dass es gar nicht so leicht ist schwanger zu werden?
Nachdem wir eineinhalb Jahre dabei waren wurde ich schwanger. Aber das Kind habe ich leider in der siebten Woche verloren. Danach sind wir in eine Kinderwunschklinik gegangen und die ganzen Untersuchungen gingen los. Eine Ursache wurde aber nicht festgestellt und uns wurde gesagt: „Ja, aber schwanger werden Sie ja, warten Sie nochmal ein Jahr ab.“ Da ging dann alles los mit Ovulationstest und so… Der Kopf war ständig dabei. Irgendwann war ich so frustriert, das ging gar nicht mehr.
Was habt Ihr dann gemacht?
Nach dem Jahr sind wir wieder hin in die Klinik und die Behandlung startete mit Hormonen und Insiminationen, die aber leider erfolglos blieben. So zog sich wieder alles hin. Irgendwann habe ich gesagt: „Nun ist hier aber mal Schluss, irgendetwas muss ja sein.“ Tatsächlich wurde dann festgestellt, dass ein Eileiter nicht durchlässig ist und auf der anderen Seite zwar der Eileiter in Ordnung ist, aber der Eierstock nicht produziert.
Wie ging der Weg für Euch weiter?
Mit dieser Diagnose haben wir uns für die künstliche Befruchtung mittels ICSI entschieden. Das hat auch gleich geklappt und es konnten sogar noch Embryonen eingefroren (kryokonserviert) werden. Leider lief der Eingriff selber bei mir auch nicht so wie es laufen soll. Das war schon echt nervenaufreibend. Aber okay, heute ist alles „vergessen“.
Kommunikation
Wen habt Ihr über Euren Kinderwunsch und die damit verbundene Problematik informiert? Und wann?
Unsere Eltern wussten es von Anfang an. Das war ja damals auch der Grund für unsere Hochzeit. Nur bei verheirateten Paaren beteiligt sich die Krankenkasse an den Kosten. Wir haben auch nur ganz still und heimlich geheiratet.
Irgendwann kamen wir eher zufällig mit Freunden ins Gespräch, deren Kinderwunsch ebenfalls nicht erfüllt wurde. Wenn ich jetzt so bei uns im Freundes- und Bekanntenkreis schaue, dann sehe ich extrem viele Paare, die das Thema betrifft. Das ist echt gruselig. Aber ausser mit unseren Eltern, Geschwistern und den Freunden, die selbst betroffen waren, haben wir mit niemandem über unsere Kinderwunschproblematik gesprochen. Einige Menschen aus unserem Umfeld werden es vielleicht ahnen, einige werden vielleicht auch darüber reden, aber das ist mir egal. Das ist für mich heutzutage etwas Normales, nichts Verwerfliches. Ich kann heute damit leben, wenn mich jemand ansieht und denkt: „Ha, die hat’s nicht hingekriegt.“
Das ist heute so, war das damals auch schon so?
Nein! Damals war es insgesamt total anstrengend.
Mit welchen Reaktionen wurdest Du konfrontiert?
Mein Papa hat gleich gesagt: „Egal wie, Hautsache dass.“, also total entspannt. Die Anderen haben das ganz normal aufgenommen. Das hat gut getan. Aber andere Reaktionen wären mir auch quasi egal gewesen bzw. hätten mich nicht von unserem Weg abgehalten. Der Austausch mit dem befreundeten Paar mit derselben Problematik hat auch sehr geholfen. Zu Beginn der Behandlungen musste ich meinen Mann noch ein wenig motivieren. Er hätte noch warten und weiter üben können. Heute ist er froh, dass wir es gemacht haben, da wir es ja eh nicht hinbekommen hätten.
Wie hast Du das Thema mit Deinem Arbeitgeber und Deinen Kollegen kommuniziert?
In der Firma wusste niemand etwas. Wir haben uns die Termine in der Klinik ganz früh morgens geben lassen. Das bedeutete für uns , dass wir morgens um 4 Uhr aufstehen mussten, nach Hamburg in die Klinik gefahren und anschließend von da aus jeweils zur Arbeit gefahren sind. Den Kollegen habe ich nur gesagt, dass bei mir etwas ist, ich momentan öfter mal zum Arzt muss und deshalb morgens manchmal später komme. Nur ein Kollege wusste Bescheid.
Nervfaktoren
Was hat Dich in dieser Zeit am meisten genervt?
Dass mein Mann nicht mit so viel Elan dabei war wie ich. Das war anstrengend für mich. Ihm war es sehr unangenehm in der Klinik zu sitzen und er mochte nicht so wirklich darüber reden. Die Termine und alles musste ich organisieren. Da hätte ich mir manchmal gewünscht, dass er mir etwas abnimmt und auch mal die Initiative ergreift.
Die Fragen von aussen, nach dem Motto „Wann ist es denn bei Ihnen soweit?“ fand ich am allerschlimmsten. Das hat echt genervt! Irgendwann habe ich nur noch geantwortet: „Einige wollen, einige halt nicht.“
Was hat Dir geholfen?
Als ich dazu übergegangen war, diesen nervigen Fragen mit der etwas robusten Antwort zu begegnen. Das hat gut getan. Und die Gespräche mit den ebenfalls betroffenen Freunden waren hilfreich. Ansonsten habe ich das eigentlich mit mir allein ausgemacht.
Welche Herausforderungen gab es für Eure Partnerschaft?
Ich fand es immer schlimm, wenn von meinem Mann bei Terminvereinbarungen mit der Klinik dann kam „Ne, morgen passt es mir eigentlich arbeitstechnisch überhaupt nicht.“ Da hab‘ ich mir nur gedacht „Naja, ich kann‘s mir ja nun nicht aussuchen.“ Und wenn er vor Ort dann ständig auf sein Handy geschaut hat, habe ich mich auch sehr allein gelassen gefühlt. Da hätte ich mir gewünscht, dass er sich mit mir unterhält statt sich mit seinem Handy zu beschäftigen. Irgendwann kam da bei mir der Punkt, an dem ich gedacht hab „Ich möchte jetzt ein Kind und Du musst das jetzt einfach mitmachen.“
Wie seid Ihr damit umgegangen?
Bei uns hat es sich geändert, als der Anruf kam, dass es geklappt hat. Da war mein Mann dann hellauf begeistert. Er war super glücklich und wollte es gleich allen sagen. Leider schlug das sehr schnell um, weil der Arzt in der 10 SSW. sagte, dass das Kind zu klein wäre. Damit ging die ganze besch….Schwangerschaft los. So richtig Freude hatten wir beide nicht mehr, eher die Sorge ob alles gut geht. Selbst nach der Geburt konnten wir uns nicht richtig freuen, weil der Kleine so grosse Probleme hatte. Ich konnte mich gar nicht richtig auf den Kleinen einlassen. Ich habe mich zwar um ihn gekümmert und ihn auch lieb gehabt, aber ich hatte in erster Linie Angst.
In dieser Zeit war mein Mann mir eine echte Stütze. Er hat mich festgehalten, als ich nur noch verzweifelt war und nur noch heulen konnte. Da wusste ich, dass ich mich 100% -ig auf ihn verlassen kann und er mich stützt, wenn es darauf ankommt. Für mich war er da stark, obwohl er selbst verzweifelt war und weinen musste. Die Glückshormone und das Familiengefühl kam erst etwa drei Monate nach der Geburt, als dann endlich alles gut war.
Hattest Du Zeiten, in denen Du überall Schwangere und Muttis mit Kinderwagen gesehen hast?
JA! Ich hab‘ sie gehasst. Das Schlimme war ja auch, dass dann immer Neue dazu kamen. Ich weiss noch wie heute, als eine Kollegin auf mich zukam und sagte, dass sie und ihr Mann sich entschieden haben, nun auch mit der Familienplanung zu starten. Einen Monat später erzählte sie mir dann, dass sie schwanger ist. In dem Moment dachte ich nur: „Du blöde Kuh.“ Man kann sich dann auch nicht richtig freuen, man sagt es zwar, aber man fühlt es nicht.
Wie bist Du damit umgegangen?
Ich bin nur nach Hause gegangen und hab‘ mich gefragt wie das sein kann? Wie kann es sein, dass Andere sich einmal ansehen und fertig ist. Da bekam ich dann echt schlechte Laune, schlechte Gedanken. Ich habe auch nichts mehr positiv gesehen und alles hat mich schneller umgehauen. Ich hatte an nichts mehr Spaß, selbst der Urlaub nicht. Wir gehen z.B. beide gerne baden, aber leider auch die Familien mit kleinen Kindern. Da verging mir dann auch der Spaß. Was uns etwas geholfen hat und wir auch viel in Anspruch genommen haben waren die Kinder von meinem Cousin. Die haben wir uns dann viel „ausgeliehen“ und viel mit ihnen unternommen. Da haben wir die Rückmeldung bekommen, dass Kinder uns mögen und wir gut mit Kindern umgehen können. Das war ein schönes Gefühl.
Eine Freundin von mir hat in der Zeit auch eine Fehlgeburt gehabt und ihr konnte ich durch unsere Gespräche helfen und sie ein wenig aufbauen. Sie hat sich Vorwürfe gemacht und dachte sie wäre die Einzige. Durch unsere Gespräche hat sie erkannt, dass eine Fehlgeburt gar nicht so selten vorkommt.
Wann konntest Du Dich das erste Mal bei einer Schwangerschaftsmeldung wieder echt freuen?
Als wir schwanger waren.
Was würdest Du heute einer Frau bzw. einem Paar raten, die auch nicht „einfach so“ schwanger werden?
Holt Euch frühzeitig Unterstützung, sprecht miteinander und mit jemandem, der genau weiss, was das Thema mit Dir und mit Euch macht.
Liebe Nane, ich danke Dir für Deine Offenheit und dafür, dass Du Deine Erfahrungen mit uns teilst.